Sonntag, 23. November 2014

Das Referenzwerk - Carrera von Rolf Sprenger und Steve Heinrichs bei Delius Klasing

Schon die schiere Größe und das Gewicht (3.900 g) dieses Bandes beeindruckt den Leser, die üppige Aufmachung mit geprägtem silbernen Einband tut ein übriges. Wir wollen sehen, ob der Inhalt dem gerecht wird und für wen dieses Buch interessant ist.

Die Autoren sind im Zusammenhang mit Porsche keine Unbekannten. Rolf Sprenger kam 1967 schon mit etwas Berufserfahrung als Ingenieur zu Porsche, seine wichtigsten Stationen waren die Motorenentwicklung und später die Leitung der Werksreparatur, die vor allem für die Erfüllung von Sonderwünschen zuständig war. Maßgeblich war er an der Umstellung des Sechszylinder-Boxers von Vergaser auf Einspritzung beteiligt. Der Amerikaner Steve Heinrichs ist Veranstalter der größten Porsche-Events in Kalifornien und Co-Autor zweier Werke über die Marke. Sein besonderes Interesse gilt der Rennhistorie.

Hauptthema des Buches soll ja der Carrera- oder auch Fuhrmann-Motor sein, deshalb geht es nach einer Einführung in die Anfänge des Hauses und die frühe Renngeschichte im zweiten Kapitel um die Vita seines Schöpfers, des Professors Dr. Ing. Ernst Fuhrmann. seine Doktorarbeit und den Weg, der zum Viernockenwellentriebwerk führte. Auf ausführlichste und fundierte Weise werden nun der Motor und seine Bauteile beschrieben, Entwicklungsstufen, Diagramme, technische Zeichnungen, Datenblätter, Originaldokumente sowie prägnante Texte bilden für den technikinteressierten Leser eine Masse an Informationen. Für den technisch nicht vorgebildeten Leser wird das allerdings schnell etwas trocken.

Dafür ist dann das nächste Kapitel auch für Nichtingenieure wieder hochinteressant. Gespräche mit Zeitzeugen, Technikern, Mechanikern und Ingenieuren lassen den Leser an der Zeit der 50er und 60er Jahre teilhaben, die damaligen Arbeitsweisen, aber auch manche Anekdote werden trefflich geschildert.

Ein optischer Genuß ist der Abdruck alter Rennplakate, die durch ihre grafische Gestaltung begeistern können. Carrera Panamericana, Nürburgring, Mille Miglia oder Targa Florio sind nur einige der Veranstaltungen, wo Porsche Siege feierte und diese natürlich auch bewarb.

Dann wird es wieder statistisch: Alle gebauten Autos mit Fuhrmann-Motor vom 550 über die 356, 904, 718, aber auch die Elva-Porsche sind nach Fahrgestellnummern mit Produktionsdatum, Farbe und weiteren Daten erfasst, oft auch mit dem Erstbesitzer und weiteren Anmerkungen, rund 50 hochkomprimierte Seiten in allerdings sehr kleiner Schrift (wie alle Tabellen in diesem Buch), zusätzlich durch die Zweisprachigkeit etwas unübersichtlich, wenn auch die unterschiedliche Schriftfarbe (blau für englisch) hilfreich ist.

Es folgt eine Beschreibung der Entwicklung der Autos, beginnend mit dem 550, hochinteressant die Kapitel über den Abarth Carrera und über den Elva-Porsche, bereichert durch Originaldokumente auch vom Schriftwechsel zwischen Deutschland und Italien bzw. England. Hier finden sich tolle Fotos aus der Produktion dieser Kleinserien.

Das nächste Statistik-Kapitel setzt sich detailliert mit den Aussen- und Innenfarben aller Autos auseinander, in der Fülle der Informationen vermisse ich lediglich eine Farbmusterkarte, die kleinen Punkte geben die Lackierungen nicht wirklich wieder.

Die große Fleißarbeit ist dann die Statistik aller Rennen, an denen Fahrzeuge mit dem Carrera-Triebwerk teilgenommen haben. Veranstaltung, Fahrzeugtyp, soweit vorhanden Kennzeichen, Fahrgestellnummer, Piloten und Ergebnis sind die wichtigsten Informationen. 280 Seiten voller Daten, ein Paradies für Statistiker und Rennhistoriker. Garniert ist dieser Teil mit einigen interessanten Fotos, wobei wir uns gerade von eher exotischen Rennen mehr Material wünschen würden, aber das würde auch dieses Format sprengen und andererseits sind solche Fotos gerade aus dieser Zeit nicht so leicht zu finden. Schließlich folgt noch eine Liste aller Motoren mit den Fahrgestellnummern der zugehörigen Autos, sicherlich in erster Linie für Besitzer oder Statistiker interessant.

Fazit: Ein wahrlich beeindruckendes, hochwertigst produziertes Werk aus dem Verlag Delius Klasing in Zusammenarbeit mit dem Porsche Museum. Man hat sichtlich keine Kosten und Mühe gescheut, für das Gebotene und die sicherlich nicht zu große Auflage ist auch der durchaus stolze Preis von 98 Euro gerechtfertigt. Druck, Bildwiedergabe und Textqualität sind auf höchstem Stand, ein Lob an das Lektorat! Das Layout kämpft manchmal etwas mit der Zweisprachigkeit, trotz der anderen Farbe für den englischen Text verliert man manchmal den Überblick.

Wer braucht dieses Buch? Wir empfehlen es dem absoluten Porsche-Fan (vielleicht sogar Carrera-Besitzer), dem hochgradig technikinteressierten Leser und natürlich dem Freund von Rennergebnislisten und Rennhistorie. Für Einsteiger ist es sicherlich nicht die erste Wahl.

840 Seiten, 56 Farbfotos, 276 S/W Fotos, 105 farbige Abbildungen, 140 S/W Abbildungen, zweisprachig (dt./engl.), mit Prägung, Format 30,8 x 24,5 cm, gebunden, ISBN 978-3-7688-3750-7, Verlag Delius Klasing, Preis 98 Euro.

Rezension: Rudi Seidel

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