Sonntag, 12. August 2012

Gentleman Driver und Kultfigur - Wolfgang Graf Berghe von Trips, eine Biographie von Jörg Thomas Födisch

Ein Buch über Wolfgang von Trips - was soll da noch Neues kommen? Die Antwort auf diese Frage stellte ich Dr. Reinhard Colsman, einem profunden Kenner der Materie, der den Grafen noch persönlich kennenlernen konnte und sich seitdem unter anderem mit Trips Leben beschäftigt hat. Ob das neue Buch empfehlenswert ist und welche Biographien noch interessant sind, können Sie seiner Betrachtung entnehmen:

Seltsam, wie regelmäßig alle paar Jahre ein Buch über den Renn-Grafen erscheint. Neue Biographien über Jo Siffert, Gerhard Mitter oder Jacky Ickx, das war verständlich. Über 50 Jahre nach seinem Rennfahrertod in Monza ist nun erneut eine Erinnerung an Graf Trips erschienen, aus der Feder von Jörg Thomas Födisch. Födisch, ausgewiesener Motorsport-Journalist für Nürburgring, Porsche (908, 917 usw.) und für den Grafen Trips, bringt sein drittes Buch zum Thema heraus, Zweitauflagen nicht berücksichtigt. Was beim neuen Buch überrascht, sind viele bisher nie gesehene Fotos. Überhaupt lebt das Buch sehr von den Bildern.

Wer als Neuling auf diesem Gebiet Zugang zu Trips und seinem Leben gewinnen möchte, der ist mit diesem (gegenüber den früheren Büchern verkürzten) Report ausreichend gedient. Wer Födischs Trips-Buch von 1988 im Heel-Verlag hat oder gar das 2000 im Eigenverlag herausgebrachte Super-Kompendium - der muss die Neuerscheinung nicht unbedingt lesen, findet aber durchaus hochinteressante, bisher unveröffentlichte Fotodokumente. Erstaunlich aber, in welchem Maße der Markt das Thema Trips aufzunehmen scheint. Die Superstars des deutschen Sports wie Schmeling, Rosemeyer, Beckenbauer, Boris Becker oder M. Schumacher sind auch nicht in mehr Publikationen gewürdigt worden. Leider fehlt in diesem Buch eine kleine Übersicht der wichtigsten Trips'schen Rennerfolge. Mag sein, dass dem Autor wichtiger ist, was aus den vielen von Trips angeregten motorsportlichen Aktivitäten wie Nachwuchsförderung geworden ist. Diesem Thema sind einige Schlusskapitel im Buch gewidmet.

Der Graf war weder Weltmeister noch Vermarktungsgenie. Obwohl er nur zwei Formel 1-Siege erzielte („Schumi“ 96 und 7 WM-Titel), ist sein Nachruhm, Nimbus, Mythos kaum zu überbieten. Trips hat viele Erfolge errungen, mehrfacher Deutscher Meister, Berg-Europameister, Sieger Targa Florio, Sebring, 1000 km Nürburgring, sowie Klassensiege bei der Mille Miglia und in Le Mans. 1957 hätte er wohl die letzte Mille Miglia vor Taruffi gewonnen, aber das war eben seine besondere Art, dass er fair hinter Taruffis angeschlagenem Ferrari blieb und nur Zweiter wurde.

Der Graf war ein Gentleman, gut aussehend, charmant und charismatisch. Dabei bescheiden, sensibel, hilfsbereit, freundlich. Ein Charakter, eine Persönlichkeit. Seine Eltern hielten ihn finanziell kurz, so dass er sogar für sein Hobby Schulden machen musste. Diplom-Landwirt dann, Wohnsitz Burg Hemmersbach, Horrem bei Köln - Noblesse oblige. Zu Trips Zeiten ist eine halbe Formel 1-Generation tödlich verunglückt. 1955 - 1962 der negative Höhepunkt: Ascari, de Portago, Musso, Castellotti, Collins, Hawthorn, Behra . . ., die meisten waren Ferrari-Fahrer. „Donne e motori - gioe e dolori“ - Frauen und Autos bringen Freude und Leid: Dieser Spruch traf in besonderem Maße auf den Grafen zu. Nicht die ihn verehrenden Mädchen waren das Problem, sondern Trips selbst in seinen anfangs komplizierten Beziehungen. Am deutlichsten wird die Frühzeit des Grafen in der Biographie von Reinold Louis, der Zugang zu Trips Nachlass hatte, zu Tagebüchern, Briefen, Tonbändern, Filmen. Wie andere Fahrer dieser Zeit hatte auch Trips haarstäubende Unfälle, die ihm den Namen „Count Crash“ eintrugen. Enzo Ferrari brachte „Taffy“ Trips große Sympathie entgegen, mit vielen Konkurrenten war Trips eng befreundet, manche lud er ein, auf seiner Burg zu wohnen.

Heute hat man in der Villa Trips außerhalb der Burg ein Museum errichtet. Diverse Stiftungen und Vereine lassen den Namen des Grafen bis heute strahlen und fortleben. Silbernes Lorbeerblatt, Sportler des Jahres, an viele Sportler mit diesen Ehren erinnert sich kaum noch jemand. Bei Trips scheint das anders zu sein, nicht zuletzt dank der Bücher von Thomas Födisch.

Würde der Graf noch leben, wäre er jetzt 84 Jahre alt. Die Kartbahn, in Horrem errichtet und dann nach Kerpen verlegt, war Initiative von Trips und später die Basis für die großen Erfolge von Michael Schumacher. „Das Rennen ist nie zu Ende“ lautete 1962 der Titel eines der ersten Bücher über Trips.

Besprechung: Dr. Reinhard Colsman, Rudi Seidel

Anmerkung: Die Notiz einer zufälligen Begegnung Trips/Colsman möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, heute wäre so etwas wohl nicht mehr in dieser Form möglich:

"1957 war das angesagteste Nachtlokal in München-Schwabing die Nachteule in der Feilitzschstraße. Ein Freund von mir und ich setzten uns an einen langen Tisch, an dem viele Männer unseres Alters saßen. Mein Freund kannte Trips und sagte in Bezug auf mich, hier ist auch einer aus dem Rheinland! Trips stand auf, unterhielt sich freundlich mit mir. Er mache ein Volontariat beim Bankhaus Aufhäuser. Ich war BWL-Student kurz vor dem Examen. Alle tranken Bier bis nach Mitternacht . . ."

Wolfgang Graf Berghe von Trips - Erinnerungen an eine Rennfahrerlegende ist bei Delius Klasing erschienen, 176 Seiten, 24 Farbfotos, 199 S/W Fotos, 8 farbige Abbildungen, Format 21,6 x 29,4 cm, ISBN 978-3-7688-3358-5 und kostet 29,90 Euro.

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