
Samstag, 4. August 2012
Großer Allrounder - Die Jacky Ickx-Biographie von Pierre van Vliet
Jacky Ickx war zu seiner aktiven Zeit sicherlich einer der größten Rennfahrer, wenn ihm auch der Weltmeistertitel in der Formel 1 nicht gelingen wollte. Aber egal, ob Tourenwagen, Sportprototypen, Monoposti oder später Rallyefahrzeuge - der Belgier war immer ganz vorne mit dabei.
Dem Delius Klasing Verlag ist es zu verdanken, dass jetzt eine deutschsprachige Biographie über dieses Ausnahmetalent vorliegt. Die Texte stammen von dem belgischen Journalisten Pierre van Vliet, der in enger Zusammenarbeit mit Jacky Ickx die entscheidenden Punkte der Rennkarriere herausgearbeitet hat. Frühe Fotos vom Karrierestart auf zwei und vier Rädern stammen aus dem Familienarchiv und waren bisher unzugänglich.
Jackys Karriere begann auf dem Trial-Motorrad sowie auf 50er Rennmaschinen, der erste Ausflug auf vier Rädern endete in einem formidablen Crash in einem BMW 700 Coupé. Bald erkannte Ken Tyrrell das Talent und der Weg führte über Lotus Cortina, Brabham Formel 3 und Matra Formel 2 direkt in die Weltspitze. Denkwürdig der Grand Prix von Deutschland 1967, als das Feld mit Formel 2-Fahrzeugen aufgefüllt wurde und Jacky den Matra im Training mit 8:14 als drittschnellster um den Nürburgring prügelte. Zwei sensationelle Siege 1967 und 1968 bei den 1000 km von Spa mit Mirage und Ford GT 40 bewiesen die Langstrecken- und Regenqualitäten des Belgiers. Die Formel 1 mit Ferrari (Vize-Weltmeister 1969 und 1970), der Le Mans-Sieg 1969 gegen Hans Herrmann, dem noch fünf weitere folgen sollten und der Sieg bei der Paris-Dakkar-Rallye 1983 sind die Glanzlichter der langen Karriere von Ickx, die aber speziell in der Formel 1 auch Durststrecken enthielt, wo er sich mehr oder weniger lustlos mit nicht konkurrenzfähigen Autos herumschlug und nach Meinung seiner Kritiker sein Talent etwas verschleuderte. Heute sieht man ihn manchmal bei historischen Events wie der Mille Miglia und als Repräsentant für VW und die Uhrenmarke Chopard, seine Tochter Vanina hält die Familientradition als Rennfahrerin aufrecht, kann aber nicht im entferntesten an die Erfolge des Vaters heranreichen.
Pierre Van Vliet hat diese Biographie in Kapitel geteilt, die jeweils die wichtigsten Rennen von Ickx beschreiben, aber durch verbindende Sätze das gesamte automobile Leben dokumentiert. Das liest sich spannend, ist auch sehr informativ, wenn auch manchmal etwas unkritisch geschrieben. Natürlich sind neben den großen Erfolgen auch die Probleme und Dramen der Karriere beleuchtet, wie die Suche nach konkurrenzfähigem Material oder der Feuerunfall von Jarama 1970. Privates oder Familiäres bleibt hingegen im Hintergrund, wenn ich auch kein Fan von Homestorys bin, hätte ich mir schon einen tieferen Einblick in das Leben eines meiner Jugendidole gewünscht.
Das verwendete Bildmaterial ist umfassend, größtenteil hervorragend und oft bisher unbekannt. Druck und Wiedergabe sind von hoher Qualität, leider konnte man der dummen Angewohnheit, Fotos großformatig über den Bund zu drucken, nicht widerstehen. Das Layout ist klar und großzügig, die Texte sind sehr gut redigiert und aus dem Französischen übertragen. Aufgrund der Bildgrößen und des recht luftigen Layouts merkt man, dass der Wunsch nach einem Prachtband Vorrang hatte, ehrlicherweise wäre wohl auch eine Nummer kleiner gut gelungen.
Jacky Ickx von Pierre van Vliet ist wie gesagt bei Delius Klasing erschienen, 240 Seiten, 61 Farbfotos, 91 S/W Fotos, Format 25,4 x 30,3 cm, ISBN 978-3-7688-3508-4, und kostet 39,90 Euro.
Besprechung: Rudi Seidel